Am 7. Dezember 2023 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine überarbeitete Fassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie veröffentlicht, die am 21. Februar 2024 in Kraft tritt. Diese neue Richtlinie bringt wesentliche Änderungen bei der Feststellung und Dokumentation der Arbeitsunfähigkeit mit sich, insbesondere durch die Einführung der telefonischen Feststellung und die Verstärkung der digitalen Formate. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die Auswirkungen dieser Änderungen auf den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und bietet eine Übersicht über relevante rechtliche Fragestellungen.
I. Ausgangspunkt: Darlegungs- und Beweislast bei Arbeitsunfähigkeit
- AU-Bescheinigung
Traditionell wird der Beweis für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) erbracht, die auf einer persönlichen Untersuchung des Arztes basiert. Der Beweiswert dieser Bescheinigung ist hoch, da sie den gesetzlichen Anforderungen gemäß §§ 5, 7 EFZG entspricht und dem Arbeitnehmer in der Regel den Anspruch auf Entgeltfortzahlung sichert.
- Zweifel des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann den Beweiswert einer AU-Bescheinigung nur erschüttern, wenn er ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit vorbringen und beweisen kann. Solche Zweifel können durch Unstimmigkeiten in der Bescheinigung oder durch das Verhalten des Arbeitnehmers entstehen.
II. Änderungen durch elektronische AU-Bescheinigung
- Elektronisches Meldeverfahren
Seit dem 1. Januar 2023 ist die elektronische AU-Bescheinigung für gesetzlich Versicherte verpflichtend. Der Arzt übermittelt die Bescheinigung elektronisch an die Krankenkasse, die dann dem Arbeitgeber eine elektronische Version zur Verfügung stellt. Der Arbeitnehmer erhält weiterhin eine papiergebundene Bescheinigung für seine Unterlagen.
- Schwäche des Verfahrens
Der wesentliche Unterschied zur traditionellen AU-Bescheinigung liegt im Fehlen arztbezogener Daten in der elektronischen Version. Dies erschwert dem Arbeitgeber die Überprüfung der Feststellung durch den Arzt, was zu einer Schwächung des Beweiswerts führen kann.
- Diskutierte Lösungsansätze
Mehrere Lösungsansätze wurden diskutiert, um den Beweiswert der elektronischen AU-Bescheinigung zu stärken. Dazu gehören die Forderung nach der Aufnahme arztbezogener Daten in die elektronische Bescheinigung oder die Bereitstellung zusätzlicher Informationen durch die Krankenkasse oder den Arbeitnehmer selbst.
- Lösung über den Beweiswert
Obwohl die elektronische AU-Bescheinigung einen geringeren Beweiswert als die Papierbescheinigung hat, bedeutet dies nicht, dass sie keinen Beweiswert hat. Bei Erschütterung des Beweiswerts durch den Arbeitgeber muss der Arbeitnehmer alternative Beweise, wie etwa die Papierbescheinigung, vorlegen, um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu sichern.
III. Auswirkungen der geänderten Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie
- Videosprechstunde
Die Richtlinie erlaubt nun auch die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch eine Videosprechstunde, wenn die Art der Erkrankung dies zulässt. Der Beweiswert einer solchen Feststellung ist höher als der einer telefonischen Feststellung, jedoch geringer als der einer persönlichen Untersuchung.
- Telefonische Feststellung
Neu ist die Möglichkeit der telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Diese ist nur subsidiär zur Videosprechstunde möglich und hat einen noch geringeren Beweiswert aufgrund der eingeschränkten Diagnosemöglichkeiten.
- Beweiswert einer Krankschreibung mittels Ferndiagnose
Der Beweiswert einer durch Videosprechstunde oder Telefonat ausgestellten AU-Bescheinigung ist geringer als der einer persönlichen Untersuchung. Arbeitgeber können daher bei Verdacht auf Unrechtmäßigkeit einfacher Widerspruch einlegen, da der Beweiswert leichter erschüttert werden kann.
- Fehlende Kenntnis des Arbeitgebers
Ein Problem ist, dass der Arbeitgeber oft nicht weiß, auf welchem Weg die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde. Dies führt dazu, dass die AU-Bescheinigung in der Regel als weniger beweiskräftig angesehen wird, insbesondere bei Ferndiagnosen.
IV. Fazit
Die neue Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie und die Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung haben die Rahmenbedingungen für den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit verändert. Während die elektronische Bescheinigung und Ferndiagnosen wie Videosprechstunde oder Telefonat einen geringeren Beweiswert haben, bleibt die persönliche Untersuchung die höchste Form der Beweisführung. Arbeitnehmer sollten darauf achten, dass sie bei Zweifeln an der AU-Bescheinigung durch den Arbeitgeber zusätzliche Beweise wie die Papierbescheinigung oder Bestätigungen des Arztes vorlegen, um ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu sichern.
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