Am 7. Dezember 2023 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine überarbeitete Fassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie veröffentlicht, die am 21. Februar 2024 in Kraft tritt. Diese neue Richtlinie bringt wesentliche Änderungen bei der Feststellung und Dokumentation der Arbeitsunfähigkeit mit sich, insbesondere durch die Einführung der telefonischen Feststellung und die Verstärkung der digitalen Formate. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die Auswirkungen dieser Änderungen auf den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und bietet eine Übersicht über relevante rechtliche Fragestellungen.

I. Ausgangspunkt: Darlegungs- und Beweislast bei Arbeitsunfähigkeit

  1. AU-Bescheinigung

Traditionell wird der Beweis für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) erbracht, die auf einer persönlichen Untersuchung des Arztes basiert. Der Beweiswert dieser Bescheinigung ist hoch, da sie den gesetzlichen Anforderungen gemäß §§ 5, 7 EFZG entspricht und dem Arbeitnehmer in der Regel den Anspruch auf Entgeltfortzahlung sichert.

  1. Zweifel des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann den Beweiswert einer AU-Bescheinigung nur erschüttern, wenn er ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit vorbringen und beweisen kann. Solche Zweifel können durch Unstimmigkeiten in der Bescheinigung oder durch das Verhalten des Arbeitnehmers entstehen.

II. Änderungen durch elektronische AU-Bescheinigung

  1. Elektronisches Meldeverfahren

Seit dem 1. Januar 2023 ist die elektronische AU-Bescheinigung für gesetzlich Versicherte verpflichtend. Der Arzt übermittelt die Bescheinigung elektronisch an die Krankenkasse, die dann dem Arbeitgeber eine elektronische Version zur Verfügung stellt. Der Arbeitnehmer erhält weiterhin eine papiergebundene Bescheinigung für seine Unterlagen.

  1. Schwäche des Verfahrens

Der wesentliche Unterschied zur traditionellen AU-Bescheinigung liegt im Fehlen arztbezogener Daten in der elektronischen Version. Dies erschwert dem Arbeitgeber die Überprüfung der Feststellung durch den Arzt, was zu einer Schwächung des Beweiswerts führen kann.

  1. Diskutierte Lösungsansätze

Mehrere Lösungsansätze wurden diskutiert, um den Beweiswert der elektronischen AU-Bescheinigung zu stärken. Dazu gehören die Forderung nach der Aufnahme arztbezogener Daten in die elektronische Bescheinigung oder die Bereitstellung zusätzlicher Informationen durch die Krankenkasse oder den Arbeitnehmer selbst.

  1. Lösung über den Beweiswert

Obwohl die elektronische AU-Bescheinigung einen geringeren Beweiswert als die Papierbescheinigung hat, bedeutet dies nicht, dass sie keinen Beweiswert hat. Bei Erschütterung des Beweiswerts durch den Arbeitgeber muss der Arbeitnehmer alternative Beweise, wie etwa die Papierbescheinigung, vorlegen, um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu sichern.

III. Auswirkungen der geänderten Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie

  1. Videosprechstunde

Die Richtlinie erlaubt nun auch die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch eine Videosprechstunde, wenn die Art der Erkrankung dies zulässt. Der Beweiswert einer solchen Feststellung ist höher als der einer telefonischen Feststellung, jedoch geringer als der einer persönlichen Untersuchung.

  1. Telefonische Feststellung

Neu ist die Möglichkeit der telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Diese ist nur subsidiär zur Videosprechstunde möglich und hat einen noch geringeren Beweiswert aufgrund der eingeschränkten Diagnosemöglichkeiten.

  1. Beweiswert einer Krankschreibung mittels Ferndiagnose

Der Beweiswert einer durch Videosprechstunde oder Telefonat ausgestellten AU-Bescheinigung ist geringer als der einer persönlichen Untersuchung. Arbeitgeber können daher bei Verdacht auf Unrechtmäßigkeit einfacher Widerspruch einlegen, da der Beweiswert leichter erschüttert werden kann.

  1. Fehlende Kenntnis des Arbeitgebers

Ein Problem ist, dass der Arbeitgeber oft nicht weiß, auf welchem Weg die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde. Dies führt dazu, dass die AU-Bescheinigung in der Regel als weniger beweiskräftig angesehen wird, insbesondere bei Ferndiagnosen.

IV. Fazit

Die neue Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie und die Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung haben die Rahmenbedingungen für den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit verändert. Während die elektronische Bescheinigung und Ferndiagnosen wie Videosprechstunde oder Telefonat einen geringeren Beweiswert haben, bleibt die persönliche Untersuchung die höchste Form der Beweisführung. Arbeitnehmer sollten darauf achten, dass sie bei Zweifeln an der AU-Bescheinigung durch den Arbeitgeber zusätzliche Beweise wie die Papierbescheinigung oder Bestätigungen des Arztes vorlegen, um ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu sichern.

Für detaillierte Informationen und die vollständige Richtlinie klicken Sie bitte auf folgenden externen Link: Richtlinie.

Seit dem 1. April 2024 ist das neue Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis in Kraft, das die strafrechtlichen Rahmenbedingungen für den Besitz von Cannabis verändert hat. Obwohl der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf nun legal ist, bleiben die Auswirkungen dieser Legalisierung auf das Arbeitsrecht erheblich. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir, wie Arbeitgeber mit dem Thema Drogen am Arbeitsplatz umgehen sollten, welche Handlungsoptionen ihnen zur Verfügung stehen und welche Rolle der Betriebsrat dabei spielt.

1. Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Die Legalisierung von Cannabis bedeutet nicht, dass der Konsum am Arbeitsplatz ohne Konsequenzen bleibt. Auch wenn der private Konsum von Cannabis außerhalb des Arbeitsplatzes nun legal ist, müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass dieser Konsum die Arbeitsleistung und -fähigkeit nicht beeinträchtigt. Der Arbeitgeber hat das Recht, die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter zu fordern, und kann Maßnahmen ergreifen, wenn der Konsum von Drogen – ob legal oder illegal – diese Leistung beeinträchtigt.

2. Handlungsoptionen für Arbeitgeber

a. Erstellung einer klaren Betriebsvereinbarung

Arbeitgeber sollten ihre Betriebsvereinbarungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Eine klare Regelung bezüglich des Konsums von Cannabis am Arbeitsplatz ist wichtig. Auch wenn Cannabis legal ist, bedeutet dies nicht, dass der Konsum am Arbeitsplatz erlaubt ist. Eine solche Regelung könnte Folgendes umfassen:

  • Ein generelles Verbot des Konsums von Drogen, einschließlich Cannabis, während der Arbeitszeit.
  • Konsequenzen bei Verstößen, die je nach Schwere des Vorfalls unterschiedlich ausfallen können (Abmahnung bis zur Kündigung).

b. Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG. Das bedeutet, dass Arbeitgeber Änderungen im Betriebsablauf, die den Gesundheitsschutz oder die Ordnung im Betrieb betreffen, mit dem Betriebsrat abstimmen müssen. Ein generelles Drogenverbot oder Anpassungen bestehender Vereinbarungen sollten daher in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erfolgen. Falls keine Einigung erzielt wird, kann eine Einigungsstelle eingeschaltet werden, um eine verbindliche Lösung zu finden.

c. Sensibilisierung und Schulung

Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter über die neuen Regelungen informieren und die Bedeutung eines drogenfreien Arbeitsplatzes betonen. Schulungen zur Sensibilisierung können dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und das Bewusstsein für die Auswirkungen von Drogen auf die Arbeitsleistung zu schärfen.

d. Umgang mit konkreten Vorfällen

Wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Cannabis-Konsum am Arbeitsplatz auffällt – sei es durch auffälliges Verhalten oder durch Hinweise wie den Geruch von Cannabis – sollte der Arbeitgeber umgehend handeln. Erste Schritte könnten eine vertrauliche Klärung des Vorfalls und gegebenenfalls ein Drogentest (mit Zustimmung des Arbeitnehmers) sein. Die Ergebnisse des Tests sollten mit dem Betriebsrat besprochen werden, um die weiteren Schritte zu planen. Hierbei ist zu beachten, dass Drogentests eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen können, weshalb sie nur bei klaren Verdachtsmomenten und unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durchgeführt werden sollten.

3. Schutz der Arbeitnehmerrechte

Arbeitnehmer, die möglicherweise süchtig sind oder Schwierigkeiten haben, ihren Konsum zu kontrollieren, sollten nicht nur durch disziplinarische Maßnahmen behandelt werden. Arbeitgeber sollten in solchen Fällen auch unterstützende Maßnahmen wie Zugang zu Suchtberatung oder Rehabilitationsprogrammen anbieten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit betroffenen Mitarbeitern kann nicht nur rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden, sondern auch die Mitarbeiterbindung und -motivation fördern.

4. Fazit

Die Legalisierung von Cannabis bringt neue Herausforderungen für Arbeitgeber mit sich, insbesondere im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Arbeitsdisziplin und der Sicherheit am Arbeitsplatz. Klare Regelungen, die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und ein fairer Umgang mit betroffenen Mitarbeitern sind entscheidend, um rechtlichen und betrieblichen Problemen vorzubeugen.

Arbeitgeber sollten sich proaktiv mit den neuen Regelungen auseinandersetzen und ihre Betriebsvereinbarungen entsprechend anpassen, um einen klaren und rechtssicheren Rahmen für den Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz zu schaffen. Bei Unsicherheiten oder Konflikten empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen, um die besten Maßnahmen für das Unternehmen und seine Mitarbeiter zu finden.

Für weiterführende Fragen oder rechtliche Unterstützung stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Im Arbeitsrecht spielt der Annahmeverzugslohn eine zentrale Rolle, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unberechtigt nicht beschäftigt. Dies kann beispielsweise bei einer unwirksamen Kündigung der Fall sein. Doch auch Arbeitnehmer haben in dieser Situation bestimmte Pflichten. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil (Az. 5 AZR 177/23) diese Pflichten konkretisiert und die Bedeutung der Schadensminderungspflicht hervorgehoben. In diesem Beitrag beleuchten wir das Thema Annahmeverzugslohn und zeigen auf, welche Handlungsoptionen Arbeitnehmer haben.

Was ist der Annahmeverzugslohn?

Der Annahmeverzugslohn ist der Lohn, den ein Arbeitnehmer erhält, wenn er arbeitsbereit ist, der Arbeitgeber jedoch die Arbeitsleistung unberechtigt nicht annimmt. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber weiterhin zur Zahlung des Gehalts verpflichtet ist, obwohl der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt. Der Arbeitnehmer muss dabei nachweisen, dass er arbeitsfähig und -bereit war und dass der Arbeitgeber ihn nicht beschäftigt hat.

Die Bedeutung der Schadensminderungspflicht

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 30. November 2023 (Az. 5 AZR 177/23) betont, dass Arbeitnehmer auch während des Annahmeverzugs eine sogenannte Schadensminderungspflicht haben. Das bedeutet, dass sie sich um eine anderweitige Beschäftigung bemühen müssen, um den entstandenen Schaden zu minimieren.

Der Arbeitnehmer darf sich also nicht passiv verhalten und einfach auf die Gehaltszahlungen des Arbeitgebers warten. Vielmehr muss er nachweisen, dass er ernsthafte Anstrengungen unternommen hat, eine neue Stelle zu finden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Erfolgsaussichten auf eine Wiederaufnahme der Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber gering sind.

Die Rolle des Bundesarbeitsgerichts (Az. 5 AZR 177/23)

In dem Urteil vom 30. November 2023 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Anspruch auf Annahmeverzugslohn gekürzt werden kann, wenn der Arbeitnehmer seinen Obliegenheiten zur Schadensminderung nicht nachkommt. In dem verhandelten Fall hatte der Arbeitnehmer nach einer unwirksamen Kündigung keine ausreichenden Bemühungen unternommen, um eine neue Beschäftigung zu finden. Das Gericht sah es daher als gerechtfertigt an, den Anspruch auf Annahmeverzugslohn zu reduzieren.

Das Urteil unterstreicht, dass Arbeitnehmer aktiv nach einer neuen Stelle suchen und jede zumutbare Arbeit annehmen müssen, um ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn in voller Höhe zu wahren.

Handlungsoptionen für Arbeitnehmer

  1. Aktive Stellensuche: Wenn Sie sich in einer Situation des Annahmeverzugs befinden, sollten Sie sich aktiv um eine neue Beschäftigung bemühen. Dokumentieren Sie Ihre Bemühungen sorgfältig, beispielsweise durch Bewerbungen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.
  2. Nachweis der Arbeitsbereitschaft: Stellen Sie sicher, dass Sie dem Arbeitgeber Ihre Arbeitsbereitschaft signalisieren. Dies kann beispielsweise durch ein Anschreiben an den Arbeitgeber geschehen, in dem Sie Ihre Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme betonen.
  3. Zumutbare Arbeitsangebote annehmen: Lehnen Sie keine zumutbaren Arbeitsangebote ab, da dies Ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn gefährden kann. Prüfen Sie jedoch im Einzelfall, ob das Angebot tatsächlich zumutbar ist.
  4. Rechtlichen Rat einholen: Bei Unsicherheiten sollten Sie sich an einen erfahrenen Arbeitsrechtler wenden. Ein Anwalt kann Sie dabei unterstützen, Ihre Rechte durchzusetzen und Ihre Pflichten zu erfüllen.

Fazit

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht die Wichtigkeit der Schadensminderungspflicht für Arbeitnehmer im Annahmeverzug. Arbeitnehmer müssen sich aktiv um eine neue Stelle bemühen, um ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn nicht zu gefährden. Gleichzeitig bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, den Lohn zu zahlen, solange der Arbeitnehmer arbeitsbereit ist und keine zumutbare neue Beschäftigung findet. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen, um die eigene Position zu stärken.

Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder Fragen zu Ihren Rechten und Pflichten haben, stehen wir Ihnen gerne zur Seite. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir beraten Sie kompetent und zielgerichtet.

Die Corona-Pandemie hat zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen aufgeworfen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Urlaubsansprüchen während behördlich angeordneter Quarantänen. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 28. Mai 2024 (Az. 9 AZR 76/22) bringt nun Klarheit in einen umstrittenen Bereich: Die Nachgewährung von Urlaubstagen, wenn ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs aufgrund einer behördlichen Quarantäneanordnung zu Hause bleiben muss, obwohl er selbst nicht erkrankt ist.

Der Fall: Urlaub und Quarantäne

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 12. bis zum 21. Oktober 2020 Urlaub beantragt und genehmigt bekommen. Kurz nach Beginn seines Urlaubs, am 14. Oktober 2020, ordnete die Stadt Hagen eine häusliche Quarantäne für den Arbeitnehmer an, da er Kontakt zu einer Person gehabt hatte, die positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Der Arbeitnehmer selbst war jedoch nicht erkrankt. Trotz der Quarantäne erhob er später Anspruch auf Nachgewährung der Urlaubstage, da er der Meinung war, sein Urlaub sei durch die Quarantäne erheblich beeinträchtigt worden.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG entschied in seinem Urteil klar, dass die Quarantäneanordnung keine Nachgewährung des Urlaubs rechtfertigt. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers sei durch die Gewährung des Urlaubs und die entsprechende Freistellung von der Arbeit erfüllt worden, auch wenn die Quarantäne verhängt wurde. Das Gericht argumentierte, dass Zeiten häuslicher Quarantäne weder unter das gesetzliche Anrechnungsverbot des § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) fallen noch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift rechtfertigen.

Dies bedeutet, dass nach Urlaubsbewilligung eintretende und vom Arbeitgeber nicht zu beeinflussende Umstände – wie eben die Quarantäne – dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind und in dessen Risikosphäre fallen. Ein Nachholurlaub ist daher ausgeschlossen, es sei denn, der Arbeitnehmer wird während des Urlaubs krank und erhält ein ärztliches Attest, was in diesem Fall nicht vorlag.

Die Rechtslage seit September 2022

Ein wichtiger Aspekt, den das BAG in seinem Urteil betont, ist die Gesetzesänderung im Infektionsschutzgesetz (§ 59 Abs. 1 IfSG), die seit September 2022 in Kraft ist. Nach dieser neuen Regelung werden Tage der Absonderung (Quarantäne) nicht mehr auf den Jahresurlaub angerechnet. Diese Regelung gilt jedoch nicht rückwirkend und fand daher auf den vorliegenden Fall aus dem Jahr 2020 keine Anwendung.

Handlungsoptionen für Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer bedeutet dieses Urteil, dass sie während einer Quarantäne keine Nachgewährung von Urlaubstagen erwarten können, sofern sie nicht selbst krankgeschrieben sind. Es ist daher ratsam, folgende Punkte zu beachten:

  1. Frühzeitige Planung: Versuchen Sie, Ihren Urlaub so zu planen, dass er nicht in eine potenziell riskante Zeit fällt. Dies kann jedoch nicht immer vorhergesehen werden.
  2. Krankmeldung im Krankheitsfall: Sollte während des Urlaubs eine Erkrankung eintreten, die durch ein ärztliches Attest bestätigt wird, besteht nach § 9 BUrlG Anspruch auf Nachgewährung der betroffenen Urlaubstage.
  3. Arbeitgeber über Änderungen informieren: Informieren Sie Ihren Arbeitgeber unverzüglich, falls während des Urlaubs eine Quarantäneanordnung erfolgt. Auch wenn dies keinen Nachholurlaub begründet, sollte der Arbeitgeber darüber Bescheid wissen.
  4. Beratung einholen: Im Falle von Unsicherheiten oder wenn Sie meinen, dass Ihre Rechte nicht gewahrt wurden, ist es sinnvoll, sich rechtlich beraten zu lassen. Eine rechtzeitige und fundierte Beratung kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche zu verstehen und durchzusetzen.

Fazit

Das Urteil des BAG vom 28. Mai 2024 schafft Klarheit: Eine Quarantäne während des Urlaubs führt nicht zu einer Nachgewährung von Urlaubstagen, solange der Arbeitnehmer nicht selbst erkrankt ist. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer klaren gesetzlichen Regelung und die Notwendigkeit, sich bei Unsicherheiten rechtzeitig beraten zu lassen.

Der Zugang einer Kündigungserklärung spielt im Arbeitsrecht eine zentrale Rolle, da er maßgeblich den Beginn von Fristen, wie der Kündigungsfrist oder der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage, beeinflusst. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Juni 2024 (Az. 2 AZR 213/23) befasst sich mit der Frage, wie der Zugang eines Kündigungsschreibens nachzuweisen ist, wenn dieses per Einwurf-Einschreiben zugestellt wurde.

Hintergrund des Urteils

Im zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien darüber, wann das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet wurde. Der Arbeitgeber hatte das Kündigungsschreiben am 30. September 2021 per Einwurf-Einschreiben zugestellt. Die Arbeitnehmerin bestritt, dass das Schreiben zu den üblichen Postzustellzeiten in ihren Briefkasten eingeworfen wurde, und machte geltend, dass die Kündigung erst am 1. Oktober 2021 zugegangen sei. Damit wäre das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2021, sondern erst zum 31. März 2022 beendet gewesen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen, dass die Kündigung am 30. September 2021 zugegangen sei und somit das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2021 beendet wurde. Maßgeblich war der Beweis des ersten Anscheins, der zugunsten des Arbeitgebers spricht, wenn ein Schreiben von einem Bediensteten der Deutschen Post AG zu den üblichen Postzustellzeiten in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen wird.

Das Gericht führte aus, dass ein solcher Anscheinsbeweis eingreift, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf einen bestimmten Erfolg hinweist. Im vorliegenden Fall bestand der typische Ablauf darin, dass der Einwurf eines Briefes durch die Deutsche Post AG erfolgt ist. Das Bundesarbeitsgericht nimmt insoweit an, dass die Mitarbeiter der Post Ihre Arbeiten grundsätzlich während der üblichen Arbeitszeiten erbringen und dafür ein Anscheinsbeweis existiert. Die Arbeitnehmerin konnte keine Umstände darlegen, die den Anscheinsbeweis erschüttert hätten, da sie lediglich den Einwurfzeitpunkt bestritt, ohne konkrete atypische Umstände vorzutragen.

Bedeutung für die Praxis

Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist diese Entscheidung von großer Bedeutung. Arbeitgeber können sich auf den Anscheinsbeweis berufen, wenn sie Kündigungen per Einwurf-Einschreiben zustellen. Es genügt, dass das Kündigungsschreiben durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post AG zu den üblichen Zeiten eingeworfen wurde, um den Zugang zu belegen. Arbeitnehmer müssen dagegen konkrete Tatsachen vorbringen, die den Anscheinsbeweis entkräften, um den Zugang der Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuweisen.

Handlungsoptionen für Mandanten

Für Arbeitgeber:

  • Dokumentation: Dokumentieren Sie den Zeitpunkt und die Art der Zustellung einer Kündigung sorgfältig. Die Nutzung des Einwurf-Einschreibens bietet eine gute Möglichkeit, den Zugang zu belegen.
  • Zeugen: Ziehen Sie ggf. einen Zeugen hinzu, der den Einwurf des Kündigungsschreibens bestätigt.
  • Vorsicht bei Fristen: Berücksichtigen Sie, dass der Zugang am Tag des Einwurfs gilt. Planen Sie ausreichend Zeit ein, um sicherzustellen, dass die Kündigungsfrist gewahrt wird.

Für Arbeitnehmer:

  • Beweissicherung: Wenn Sie den Zugang einer Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt bestreiten wollen, sammeln Sie Beweise (z.B. durch Zeugen), die belegen, dass eine Leerung des Briefkastens zu den üblichen Zeiten erfolgt ist und zu diesem Zeitenpunkt kein Schreiben zugegangen ist.
  • Schnelle Reaktion: Wenn Sie Zweifel am Zugang der Kündigung haben, reagieren Sie schnell und lassen Sie sich rechtlich beraten. In vielen Fällen kann eine Kündigungsschutzklage sinnvoll sein.

Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, den Zugang von Kündigungen präzise zu gestalten und im Streitfall schnell zu handeln. Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass bloßes Bestreiten des Zugangs in der Regel nicht ausreicht, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Arbeitgeber hingegen können durch sorgfältige Vorbereitung und Dokumentation sicherstellen, dass ihre Kündigungen rechtlich wirksam zugehen.