In Deutschland ist das Arbeitsrecht stark durch den Schutz der Arbeitnehmer geprägt. Eine verhaltensbedingte Kündigung stellt einen erheblichen Eingriff in die berufliche und private Lebensführung des Arbeitnehmers dar. Daher sind die Anforderungen an eine solche Kündigung hoch. Im Folgenden werden die rechtlichen Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung sowie die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) detailliert erläutert.

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Bevor wir auf die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung eingehen, muss geprüft werden, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) überhaupt Anwendung findet. Das KSchG bietet Arbeitnehmern in Deutschland einen besonderen Schutz vor Kündigungen und ist unter folgenden Voraussetzungen anwendbar:

  1. Mindestbeschäftigungsdauer: Der Arbeitnehmer muss mindestens sechs Monate ununterbrochen im selben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt sein (§ 1 Abs. 1 KSchG).
  2. Betriebsgröße: Das KSchG gilt nur in Betrieben, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen (§ 23 Abs. 1 KSchG). Teilzeitbeschäftigte werden hierbei anteilig berücksichtigt.

Findet das KSchG Anwendung, muss der Arbeitgeber einen der gesetzlich anerkannten Kündigungsgründe nachweisen. Bei verhaltensbedingten Kündigungen sind dies Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen und die weitere Zusammenarbeit unzumutbar machen.

Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, muss der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG haben. Das bedeutet, ein Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis ohne einen Grund kündigen und muss lediglich einige formale Voraussetzungen wie die Schriftform der Kündigung oder eine Zustimmung des Integrationsamtes erfüllen.

Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung

  1. Vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers

Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt hat. Beispiele für vertragswidriges Verhalten sind:

  1. Unentschuldigtes Fehlen
  2. Arbeitsverweigerung
  3. Störungen des Betriebsfriedens
  4. Diebstahl oder Betrug
  5. Alkohol- oder Drogenkonsum während der Arbeitszeit
  6. Abmahnung

In der Regel ist eine verhaltensbedingte Kündigung nur wirksam, wenn der Arbeitnehmer zuvor abgemahnt wurde. Die Abmahnung dient als Hinweis auf das vertragswidrige Verhalten und gibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, sein Verhalten zu ändern. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.

  1. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Der Arbeitgeber muss bei der Kündigung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dies bedeutet, dass die Kündigung nur das letzte Mittel sein darf (ultima ratio). Vorher müssen alle milderen Maßnahmen, wie Versetzung oder Änderung der Arbeitsbedingungen, ausgeschöpft sein.

  1. Interessenabwägung

Im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Hierbei sind die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Interessen des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Faktoren wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, dessen Unterhaltspflichten und die Schwere des Fehlverhaltens sind dabei zu berücksichtigen.

  1. Kündigungsfrist

Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die gesetzliche, tarifliche oder vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist einhalten. Eine fristlose Kündigung ist nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen möglich, die eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Rechtliche Konsequenzen und Handlungsempfehlungen

Arbeitgeber sollten bei der Vorbereitung und Durchführung einer verhaltensbedingten Kündigung äußerst sorgfältig vorgehen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Eine fehlerhafte Kündigung kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden, was häufig zu einer Wiedereinstellung oder einer hohen Abfindungszahlung führt.

Arbeitnehmer, die eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten, sollten ebenfalls unverzüglich rechtlichen Rat einholen, um die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage zu prüfen.

Fazit

Eine verhaltensbedingte Kündigung nach deutschem Recht erfordert eine sorgfältige Prüfung und Einhaltung zahlreicher Voraussetzungen. Das Kündigungsschutzgesetz bietet Arbeitnehmern umfassenden Schutz und setzt hohe Hürden für eine wirksame Kündigung. Arbeitgeber müssen insbesondere das Fehlverhalten des Arbeitnehmers nachweisen, eine Abmahnung aussprechen und eine gründliche Interessenabwägung vornehmen.

Für beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, empfiehlt es sich, in Kündigungsfragen rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen, um eine faire und rechtssichere Lösung zu gewährleisten.

Am 20. März 2024 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem richtungsweisenden Urteil (Az. 5 AZR 234/23) entschieden, dass eine SARS-CoV-2-Infektion auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit im Sinne des § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) darstellt, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer aufgrund einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung der Arbeit im Homeoffice nicht möglich ist.

Hintergrund des Falls

Der Kläger ist als Produktionsmitarbeiter bei einem kunststoffverarbeitenden Unternehmen beschäftigt. Am 26. Dezember 2021 wurde er positiv auf das Coronavirus getestet und litt unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen. Vom 27. bis 31. Dezember 2021 war er aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung krankgeschrieben, und die Beklagte leistete in dieser Zeit die Entgeltfortzahlung. Am 29. Dezember 2021 ordnete die Gemeinde N. eine Quarantäne für den Kläger bis zum 12. Januar 2022 an. Für den Zeitraum vom 3. bis 12. Januar 2022 lehnte der Arzt die Ausstellung einer Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab, da das positive Testergebnis und die behördliche Absonderungsanordnung als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichten.

Die Beklagte zog daraufhin im Januar 2022 einen Betrag von ca. 1.000,00 Euro brutto vom Lohn des Klägers ab, was dieser vor Gericht anfocht. Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab, doch das Landesarbeitsgericht gab der Berufung des Klägers statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des einbehaltenen Betrags.

Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG bestätigte das Urteil des Landesarbeitsgerichts und wies die Revision der Beklagten zurück. Es stellte klar, dass eine SARS-CoV-2-Infektion eine Krankheit darstellt, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Symptome zeigt. Die Infektion sei ein regelwidriger Körperzustand und somit als Krankheit anzusehen, die zur Arbeitsunfähigkeit führt.

Das BAG betonte, dass die behördliche Absonderungsanordnung keine eigenständige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ist, sondern auf der Infektion beruht. Die Absonderungsanordnung, die das Tätigkeitsverbot nach sich zieht, ist monokausal auf die Infektion zurückzuführen. Aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion war es dem Kläger rechtlich unmöglich, die Arbeitsleistung im Betrieb zu erbringen (§ 275 Abs. 1 BGB).

Impfstatus und Kausalität

Ein weiterer zentraler Punkt der Entscheidung war die Frage, ob die unterlassene Schutzimpfung gegen das Coronavirus ursächlich für die Infektion des Klägers war. Das Landesarbeitsgericht konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Verzicht auf die empfohlene Schutzimpfung die Infektion verursacht hat. Es berücksichtigte dabei auch die Möglichkeit von Impfdurchbrüchen und die damaligen Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Wirksamkeit der Impfungen.

Nachweis der Arbeitsunfähigkeit

Die Beklagte argumentierte, dass ihr ein Leistungsverweigerungsrecht wegen nicht vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zustehe (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Das BAG folgte dieser Argumentation nicht und stellte fest, dass der Kläger durch die Vorlage der behördlichen Absonderungsverfügung der Gemeinde N. ausreichend nachgewiesen hatte, dass er aufgrund der Infektion objektiv an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert war.

Fazit

Dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Bedeutung für die Praxis der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es bestätigt, dass eine SARS-CoV-2-Infektion, auch ohne Symptome, als Krankheit im Sinne des EFZG anzusehen ist, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn eine behördliche Absonderungsanordnung besteht. Das Urteil klärt zudem, dass ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers wegen fehlender ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht besteht, wenn eine behördliche Anordnung vorgelegt wird. Arbeitgeber müssen daher auch in solchen Fällen die Entgeltfortzahlung leisten, was insbesondere in Pandemiezeiten relevant ist.

Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Urteil finden Sie unter https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/entgeltfortzahlung-aufgrund-einer-sars-cov-2-infektion-und-behoerdlicher-absonderungsanordnung/

Arbeitgeber lassen regelmäßig Ihre Arbeitnehmer durch diverse Maßnahmen überwachen. Neben innerbetrieblichen Überwachungen beispielsweise durch Kameras, Überwachungspersonal oder z.B. Keyloggers wird in Fällen von einer Arbeitsunfähigkeit häufig auch externe Hilfe durch Privatdetektive in Anspruch genommen.

Ob eine solche Überwachung zulässig ist, muss immer im Einzelfall entschieden werden. Dem Grunde nach ist eine solche Überwachung außerhalb der tatsächlichen Arbeit nur dann gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zulässig, wenn sie der Aufdeckung von Straftaten dient und der Arbeitgeber zuvor zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte hat, die den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Überwachung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Hierfür reicht es nicht aus, dass ein Arbeitnehmer häufig oder länger krank ist, sondern das Tatsachen vorliegen, die beispielsweise auf einen Arbeitszeitbetrug oder dem Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit hindeuten. Aber auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber nicht zunächst bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine Überprüfung des Gesundheitszustandes mit Hilfe des Medizinischen Dienst der Krankenkassen veranlassen muss. Denn ein solches Vorgehen sollte, da es m.E. deutlich weniger einschneidend in die Privatsphäre eines Arbeitnehmers ist als eine heimliche Überwachung des Arbeitnehmers. Einerseits kann ein Arbeitgeber eine solche Überprüfung einseitig nach § 275 Abs. 1a S. 3 SGB V eine solche Überprüfung verlangen. Andererseits sollte ohne ein solches gesetzlich vorgesehenes Verfahren eine heimliche Überwachung unverhältnismäßig sein, da es in den meisten Fällen wohl nicht erforderlich, zumindest aber nicht angemessen wäre.

Da ein Arbeitnehmer im Normalfall eine solche Überwachung aber nicht dem Arbeitgeber eindeutig zuordnen kann, sollte er im Zweifelsfall einen Auskunftsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber gemäß Art. 15 Abs. 1 der DS-GVO geltend machen. Sollte der Arbeitgeber diesen nicht erfüllen, sollte anschließend eine Weiterleitung der Angelegenheit an den Landesdatenschutzbeauftragten erfolgen und ggfls. eine Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt werden. Letztere kommt insbesondere in Betracht, wenn Lichtbildaufnahmen gefertigt wurden von den Detektiven, da dann ein Verstoß gegen § 201a StGB vorliegen dürfte. Vor allem wenn beispielsweise die Kennzeichen der Fahrzeuge vorliegen, können diese in der Regel unproblematisch von der Polizei ermittelt werden. Als Geschädigter hat man in diesem Fall auch ein Recht die Ermittlungsakte einzusehen und die daraus gewonnen Daten anschließend zu verwenden. Auch in diesem Fall kann man gegen die Detektei einen Auskunftsanspruch geltend machen und so den Auftraggeber ermitteln. In der Regel hat die Detektei kein Recht diese Auskunft zu verweigern. Wird auf der vorgenannten Basis eine unzulässige Überwachung festgestellt, können gegenüber dem Arbeitgeber diverse Maßnahmen getroffen werden. Von Anzeigen wegen einer Anstiftung zu einem Verstoß gegen § 201a StGB oder dem BDSG (vgl. §§ 42, 43 BDSG), über Unterlassungssprüche und auch Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind viele Vorgehen möglich. Je nach Umfang und Dauer einer unzulässigen Überwachung kommt dabei ein erheblicher Schadensersatz in Betracht (vgl. z.B. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.2.2015, Az. 8 AZR 1007/13). So sprach das LAG Reinland-Pfalz in einem solchen Fall einen Schadensersatz in Höhe von 10.000,- € zu (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az. 5 Sa 449/16, Urteil vom 27.04.2017).

Zu beachten ist aber, dass solche Ansprüche nur in Frage kommen, wenn es sich um eine unzulässige Überwachung des Arbeitnehmers handelt. Sollte der Arbeitgeber zulässigerweise eine Überwachung einleiten und ein Verstoß nachgewiesen werden können, hat der Arbeitnehmer sogar die Kosten für die Überwachungsmaßnahme zu tragen. Diese können schnell im Bereich von 20.000,- bis 30.000,- € liegen.

Im Zweifelsfall sollte daher immer eine anwaltliche Beratung erfolgen.

Recht haben und recht bekommen ist nicht immer dasselbe. Häufig bestehen in der Praxis Probleme für Arbeitgeber, erforderliche Kündigungsgründe im Sinne des § 1 KSchG vor Gericht nachweisen zu können. In diesen Fällen kann es sein, dass eine Kündigung unwirksam ist, weil der Arbeitgeber einen eigentlich begangenen Pflichtverstoß vor Gericht nicht durch Beweismittel nachweisen kann. In einem vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall (Landesarbeitsgericht Niedersachsen 8. Kammer, Urteil vom 06.07.2022, 8 Sa 1148/20 https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE220033901&st=null&showdoccase=1) hatte der Arbeitgeber entgegen einer Betriebsvereinbarung eine Videoaufzeichnung des Eingangsbereichs des Betriebes über einen längeren Zeitraum aufgehoben und im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, in welchem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Arbeitszeitbetrug vorgeworfen hatte, als Beweismittel vorlegt. Das Gericht hat diesen Beweisantritt nicht zugelassen und ein Beweisverwertungsverbot wegen der unzulässigen Aufbewahrung der Aufnahmen unterstellt. Letztlich konnte der Arbeitgeber den Betrugsvorwurf nicht darlegen und daher war die Kündigung unzulässig und unwirksam. In der Praxis sollte daher bei Kündigungen stets geprüft werden, ob Kündigungsgründe tatsächlich nachgewiesen werden können. Sollte das nicht der Fall sein, muss stets geprüft werden, ob ein Bestreiten der Vorwürfe sinnvoll ist.