Regelmäßig sind Kündigungen mit skurrilen Sachverhalten zu überprüfen. Im vorliegenden Fall hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung wirksam ist, wenn ein Mitarbeiter einem anderen Mitarbeiter, im vorliegenden Fall einen Leiharbeitnehmer, vor anderen Kollegen die Hosen herunterzieht, so dass der Mitarbeiter entblößt vor den anderen Mitarbeitern steht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2021, Az. 2 AZR 596/20).

Das Bundesarbeitsgericht hatte insoweit zu prüfen, ob ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Die Rechtsprechung überprüft das Vorliegen eines solchen Kündigungsgrundes in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird überprüft, ob der Grund an sich so schwerwiegend ist, dass er regelmäßig eine solche Kündigung rechtfertigen würde. Im zweiten Schritt wird geprüft, ob die Geschehnisse auch im konkreten Einzelfall im Rahmen einer Interessenabwägung die Kündigung rechtfertigen und es demjenigen, der kündigt, unzumutbar ist, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten.

Das Gericht stellte insoweit fest, dass ein wichtiger Grund für eine solche Kündigung vorliegen kann, wenn eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG vorliegt. Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit aus:

„Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.“

Vorliegend war jedoch zwischen den Parteien streitig und nicht von den Vorinstanzen aufgeklärt worden, ob der Vorfall tatsächlich einen sexuellen Bezug hatte. Denn der gekündigte Arbeitnehmer hatte zuletzt vorgetragen, dass er lediglich die Hosen und nicht auch die Unterhose des anderen Mitarbeiters herunterziehen wollte. Er bestritt insoweit den sexuellen Bezug seiner Handlung. Das Gericht gab dem Arbeitnehmer insoweit zunächst recht und vertritt die Ansicht, dass hinsichtlich einer sexuellen Belästigung auch geprüft werden müsse, ob ein solcher sexueller Bezug vorliegen würde. Insoweit stellt das Gericht dar, dass beispielsweise auch aus einer Umarmung eine sexuelle Belästigung entstehen könne, wenn die Umarmung in sexueller Absicht erfolgt.

Das Gericht verwies den Fall zunächst insoweit zurück an das Berufungsgericht, damit dieses klären kann, ob eine solche sexuelle Absicht vorliegt.

Da das Gericht aber bereits bestätigt hatte, dass unabhängig von einer sexuellen Belästigung das Herunterziehen der Hose einen erheblichen und entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG darstellt.

Dieser Verstoß rechtfertigt grundsätzlich an sich schon eine Kündigung. Warum hat das Gericht dann überhaupt diese umfassenden Ausführungen zu einer sexuellen Belästigung gemacht?

Das Gericht wollte dem Arbeitnehmer anscheinend auf Grund weiterer Umstände noch eine weitere Brücke bauen, da ebenfalls im Verfahren angedeutet wurde, dass der „Umgangston“ im Betrieb des Arbeitnehmers recht interessant gewesen ist. So wurde unter anderem angemerkt, dass es im Betrieb zu „Neckereien“ im Vorfeld gekommen sei. Unter anderem soll auch der Mitarbeiter, dem die Unterhose heruntergezogen wurde, zuvor dem Gekündigten die Hosen heruntergezogen hat. Es scheint so, dass das Bundesarbeitsgericht letztlich die Leviten lesen wollte und aufzeigte, wo die Vorinstanz überall fehlerhaft gearbeitet hat. Das Urteil ist letztlich ein gutes Beispiel dafür, dass auch Revisionen vor dem Bundesarbeitsgericht sinnvoll seien können.

Tipp: Arbeitnehmer sollten in der Praxis möglichst alle Handlungen mit sexuellen Hintergrund vermeiden. Diese Handlungen können letztlich auch Handlungen ohne Berührung einer anderen Person sein. Unter anderem wird man auch, je nach Betrieb, durch das Zeigen von Bildmaterial mit unbekleideten Körpern, eine solche Belästigung annehmen können. Andererseits kann es auch Betriebe geben, in denen beispielsweise anzügliche Darstellungen auf Kalendern, die in der Praxis doch gelegentlich vorkommen, toleriert wird. In diesen Fällen ist dann ggfls. keine Kündigung des Mitarbeiters möglich.  In anderen Betrieben kann die gleiche Handlung jedoch eine Kündigung rechtfertigen, wenn eine solche Darstellung im fraglichen Betrieb eher unüblich ist.

Viele Arbeitnehmer, die längere Zeit krank sind, fürchten sich wieder an ihre Arbeitsstelle zurückzukehren. Häufig wissen sie nicht, ob sie einerseits wieder gesund genug sind, arbeiten vor Ort erledigen zu können, und andererseits wissen sie nicht, wie ihr Arbeitgeber auf die Rückkehr reagiert.

Der Gesetzgeber hat verschiedene Hilfsmittel gesetzlich ausgeformt, die dem Arbeitnehmer bei einer Rückkehr in das Arbeitsumfeld helfen sollen. Die beiden wichtigsten Mittel in der Praxis sind die stufenweise Wiedereingliederung und das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement.

Ziel der stufenweisen Wiedereingliederung ist nach dem sogenanntem Hamburger Modell, Beschäftigte unter ärztlicher Anleitung schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung zu gewöhnen. In der Regel schlägt ein betreuende Arzt Arbeitnehmern die Durchführung eines solchen Verfahrens vor. Grundsätzlich wird der Mitarbeiter daher auch wieder auf seiner alten Arbeitsstelle eingesetzt, sodass letztlich nur zeitweise die Arbeitsbelastung im Hinblick auf den früheren Arbeitsplatz reduziert ist. Sollte der Arbeitsplatz als solcher zu der Erkrankung geführt haben, würden genau diese Belastungen erneut eintreten. In diesem Verfahren steht Arbeitnehmern ein Arzt zur Seite, da dieser meistens das Attest ausstellt, welches benötigt wird um über die Krankenkassen Finanzierung des Verfahrens zu erhalten. Denn während der Durchführung dieses Verfahrens krankgeschrieben und werden nicht vom Arbeitgeber, sondern von der Krankenkasse vergütet.

Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement, § 167 SGB IX). In diesem Verfahren musste der Arbeitgeber mit diversen anderen Personen, die bislang immer aus dem Betrieb stammten sowie einem externen Arzt, die Möglichkeiten abklären. In der Praxis kann es hierbei immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, da Arbeitgeber häufig Ziehung eines Rechtsanwaltes oder einer sonstigen Person ablehnten. Sie beriefen sich hierbei auf die gesetzliche Regelung, die wie folgt lautet:

„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. 3Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen.“

Auch die Rechtsprechung vertrat insoweit überwiegend die Ansicht, dass ein externer Rechtsanwalt grundsätzlich nicht an dem BEM-Verfahren ohne Zustimmung des Arbeitgebers teilnehmen durfte (so zum Beispiel LAG Köln, Urteil vom 23.01.2020, Az. 7 Sa 471/19, LAG Hamm, Urteil vom 13.11.2014, Az. 15 Sa 979/14; LAG Rheinlandpfalz, Urteil vom 18.12.2014, Az. 5 Sa 518/14). Nur in Fällen, in denen der Arbeitgeber einen externen Juristen oder Rechtsanwalt selbst hinzuziehen wollte, wurde auch dem Arbeitnehmer ein Recht eingeräumt, einen eigenen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Lehnte der Arbeitnehmer jedoch zuvor bereits ab, dass der Arbeitgeber einen Juristen hinzuzog, wurde auch für den Arbeitnehmer Recht auf „Waffengleichheit“, also eine Hinzuziehung eines externen Juristen abgelehnt.

Dese Rechtslage hat der Gesetzgeber vor kurzem mit Wirkung vom 10.06.2021 geändert, und zwar durch Art.7 Nr. 21a des Teilhabestärkungsgesetzes vom 02.06.021. Gemäß § 167 Abs.2 S. 2 SGB IX können Arbeitnehmer nun zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen zum BEM-Verfahren hinzuziehen. In Zukunft müssen Arbeitnehmer daher nicht mehr alleine ein solches Verfahren durchstehen, sondern können sich hierbei externe Unterstützung holen.

Tipp: Arbeitnehmer sollten in Zukunft nicht mehr alleine solche Gespräche durchführen und sich lediglich einer vorherigen Beratung durch einen Juristen bedienen. Denn im Verlaufe eines solchen Verfahrens können Umstände eintreten, die zu einer Kündigung führen können, und ebenfalls sind häufig viele Möglichkeiten innerhalb eines solchen Verfahrens vielen Arbeitnehmern nicht bekannt. Daher sollte eine Unterstützung in geeigneten Fällen durchgehend durch eine externe Kraft erfolgen. Hierbei muss es sich nicht zwangsweise um einen Rechtsanwalt handeln, sondern beispielsweise kann auch ein Gewerkschaftssekretär hinzugezogen werden. Arbeitnehmer sollten auf die Person sich am besten einem solchen Verfahren auskennt.

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung zu entscheiden (LAG Köln v. 1.4.2021 – 8 Sa 798/20), in der es um einen Fall der sexuellen Belästigung, nämlich dem gegen den Willen einer Arbeitnehmerin erfolgten Kuss durch einen anderen Arbeitnehmer, ging.

Der verheiratete Arbeitnehmer, der zwei Kinder hatte, „stellte“ der Arbeitnehmerin bereits in der Vergangenheit nach. Diese hatte seine Avancen abgelehnt und ihm mitgeteilt, dass er das doch bitte unterlassen solle. Einige Zeit später kam es bei einem Auswärtstermin der beiden Angestellten dazu, dass sie in einem Hotel übernachten mussten. Nach einem Besuch der Bar am Abend wollte die Arbeitnehmerin alleine auf ihr Zimmer. Der Arbeitnehmer folgte ihr jedoch und versuchte sie auf einem Hotelflur zu küssen, was die Arbeitnehmerin jedoch zunächst verhinderte. Einige Augenblicke später gelang es dem Angestellten jedoch seine Kollegin zu küssen. Diese Vorfälle wurden dem Arbeitgeber mitgeteilt, der sich daraufhin entschloss, dem Mitarbeiter außerordentlich und fristlos zu kündigen.

Das Landesarbeitsgericht hatte nunmehr zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt und wirksam war.  Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. LAG Köln, a.a.O.). Die erforderliche Überprüfung, ob ein Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, hat in zwei Stufen zu erfolgen:

  • Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich, d.h. generell ohne Berücksichtigung der besonderen Einzelfallumstände geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden.
  • Liegt ein solcher Sachverhalt vor, muss geprüft werden, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (vgl. etwa BAG 28.08.2008 – 2 AZR 15/07-mwN).

In der Rechtsprechung ist es allgemein anerkannt, dass ein sexueller Übergriff auf einen Kollegen oder Kollegin ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB ist, der einen Arbeitgeber grundsätzlich dazu berechtigt, ein Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beenden. In der Praxis ist daher, wie im vorliegenden Fall, meistens nur der Lebenssachverhalt zwischen den Parteien streitig und die „Zweite Stufe“ der Wirksamkeitsprüfung der Kündigung. Im Rahmen dieser zweiten Stufe ist nämlich immer danach zu fragen, ob es ein milderes Mittel gibt, die gegen eine Verhältnismäßigkeit einer Kündigung spricht. Regelmäßig muss ein Arbeitgeber daher vor dem Ausspruch einer Kündigung bei einem (unzulässigem) willensgesteuerten Verhalten eines Arbeitnehmers eine Abmahnung aussprechen, wenn diese dazu führt, dass das Verhalten in Zukunft positiv beeinflusst wird und der Arbeitnehmer nicht bereits auf Grund der schwere des Verstoßes damit rechnen musste, dass der Arbeitgeber diesen einmaligen Verstoß nicht hinnehmen muss (Entbehrlichkeit der Abmahnung). Das Landesarbeitsgericht entschied im vorliegenden Fall, dass eine Abmahnung zuvor nicht ausgesprochen werden musste und führt insoweit aus:

„Einer Abmahnung bedurfte es nicht, da es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Davon ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Wie bereits in der Berufungsverhandlung von der Vorsitzenden Richterin ausgeführt, hat der Kläger mit der aufgrund der Beweisaufnahme nachgewiesenen sexuellen Belästigung der Zeugin L eine „rote Linie“ überschritten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte, deren Verpflichtung es ist, ihre überwiegend weiblichen Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen gegenüber Kollegen zu schützen, auch für den Kläger erkennbar – unzumutbar macht.“

Die Kündigung war daher im vorliegenden Fall auch ohne Ausspruch einer Abmahnung zulässig.

Tipp: Die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts reiht sich in eine Vielzahl von Urteilen ein, die letztlich häufig die Wirksamkeit einer Kündigung bei sexuellen Übergriffen betätigen. Meistens sind solche Klagen nur dann erfolgsversprechend, wenn im Bereich des Lebenssachverhalts beispielsweise der „belästigte“ Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum geflirtet hat und der Übergriff nur in einem sehr unbedeutenden Umfang stattgefunden hat. Auch Zweifel im Bereich des Lebenssachverhalts können gegen die Wirksamkeit einer Kündigung sprechen, da solche Fälle meistens nur sehr schwer nachweisbar sind. Sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer empfiehlt sich daher, auf die Darstellung des Lebenssachverhalts im Rahmen einer Klage sehr zu achten.

Fehlt ein Arbeitnehmer unentschuldigt für einen Tag und will der Arbeitgeber diesen Mitarbeiter (auch aus anderen Gründen) loswerden, versuchen Arbeitgeber diese Situation häufig durch den Ausspruch einer fristlosen, außerordentlichen Kündigung auszunutzen. In der Praxis stellt sich in diesen Fällen häufig die Frage, ob eine solche Kündigung vor dem Ausspruch einer Abmahnung wirksam ist. Denn zwar liegt regelmäßig ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vor, so dass eine Kündigung gerechtfertigt sein kann. Aber sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Kündigung ist letztlich eine Interessenabwägung bzw. Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmen und es dürfen letztlich keine milderen Mittel für den Arbeitgeber bestehen, den Mitarbeiter zur Raison zu bringen.

Die Rechtsprechung sieht es daher regelmäßig als erforderlich an, dass ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer zunächst abmahnt und auffordert, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Eine solche Abmahnung kann aber ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn der Arbeitnehmer Urlaub beantragt, dieser nicht genehmigt wird und der Arbeitnehmer dann gleichwohl eigenständig den Urlaub antritt, oder auch, wenn der Arbeitnehmer vor der Abwesenheit bereits ernsthaft erklärt, dass er endgültig nicht mehr die Arbeit aufnehmen wird. Denn u.a. in diesen Fällen ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, dass er mit dem Ausspruch einer Kündigung abwartet. Denn in diesen Fällen liegt eine entweder so schwerwiegende Vertragsverletzung durch den Arbeitnehmer vor, dass es dem Arbeitgeber nicht weiter zuzumuten ist, den Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, bzw. kein milderes Mittel vorhanden ist, da beispielsweise durch eine Abmahnung auch eine Verhaltensänderung des Mitarbeiters für die Zukunft nicht hätte erreicht werden können.

In einem nunmehr vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2020, Az. 1 Sa 72/20 zu entscheidenden Fall stellte sich die Frage, ob eine Abmahnung auch dann entbehrlich ist, wenn das Arbeitsverhältnis erst wenige Tage bestanden hat. Im konkreten Fall fing die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit an einem Donnerstag an und hatte am darauffolgenden Montag und Dienstag vereinbarungsgemäß frei. Am Dienstag erhielt sie bereits eine ordentliche Kündigung, die das Arbeitsverhältnis eine Woche nach Zugang der Kündigung beenden sollte. Am Mittwoch erschien sie sodann unentschuldigt nicht zur Arbeit, woraufhin der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte. Es stellte sich die Frage, ob bei einem solch kurzen Arbeitsverhältnis die Maßstäbe hinsichtlich der Erforderlichkeit des Ausspruchs einer Abmahnung ebenfalls gelten. Das Landesarbeitsgericht bejahte das und führte insoweit aus:

„Wegen des unentschuldigten Fehlens war vorliegend auch nicht ausnahmsweise eine Abmahnung der Klägerin entbehrlich. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (z.B. BAG vom 12.05.2010 – 2 AZR 845/08).

Dass die Klägerin nach einer Arbeitsaufforderung durch den Beklagten ihr Verhalten nicht geändert hätte, ist nicht feststellbar. (…) Das Fehlen an einem einzigen Arbeitstag stellt sich auch nicht als so schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass die Klägerin davon ausgehen musste, dass die Hinnahme dieses Fehlens für den Beklagten offensichtlich ausgeschlossen war. Der Beklagte hatte durch die Probezeitkündigung mit Wochenfrist gegenüber der Klägerin bereits zum Ausdruck gebracht, an deren weiterer Mitarbeit kein Interesse zu haben. Angesichts dessen liegt es jedenfalls nicht fern, dass er das Fehlen der Klägerin toleriert hätte, da für ihn dann auch keine Vergütungspflicht bestand.“

Tipp: Trotz dieses Urteils sollten sich Arbeitnehmer nicht zu sicher sein, dass diese Grundsätze immer zu Ihren Gunsten ausfallen. Vor allem stellt sich die Frage, ob das Gericht ebenso entschieden hätte, wenn nicht zuvor eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden wäre. Diese Frage wird zumindest in den unteren Instanzgerichten nicht immer einheitlich beantwortet bzw. so gewertet. Arbeitnehmer sollten daher immer auf eine einvernehmliche Regelung mit Ihrem Arbeitgeber hinarbeiten und sich stets an Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten halten.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.01.2021, Az. 3 Sa 800/20) hatte einen Streit vorliegen, in dem sich die Frage stellte, ob ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine sogenannte Dankes- und Wunschformel hat. Bei diesen Klauseln handelt es sich um Formulierungen am Ende eines Arbeitszeugnisses, in denen der Arbeitgeber einerseits sich für die Tätigkeit des Mitarbeiters bedankt und andererseits die alles Gute für die Zukunft wünscht. Teilweise werden insoweit noch Ausführungen darüber gemacht, dass der Arbeitgeber es bedauert, dass der Mitarbeiter seine Tätigkeit nunmehr nicht mehr für das Unternehmen erbringt. Das Bundesarbeitsgericht hatte insoweit bereits im Urteil vom 20.2.2001, Aktenzeichen 9AZR 44/00, dass grundsätzlich kein Arbeitgeber verpflichtet ist, dass aber Zeugnis mit einer Formulierung abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Entgegen dieser Rechtsprechung urteilte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nun, dass bei überdurchschnittlich guten Zeugnissen, das heißt, einem Zeugnis mit einer Note die besser ist als ein befriedigend, da es sich hierbei um ein durchschnittliches Zeugnis handelt, grundsätzlich über die Generalklausel des Paragrafen 241 Abs. 2 BGB und der in dieser Norm beschriebenen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners, ein solcher Anspruch bestehen kann. Denn diese Formulierungen am Arbeitsvertrag würde es dem Arbeitnehmer deutlich schneller und besser ermöglichen, einen entsprechenden neuen Job zu finden. Außerdem würde das Zeugnis entwertet werden, wenn nach einer überdurchschnittlichen Bewertung solche Formulierungen nicht aufgenommen würden, da es nicht nur einem Gebot der Höflichkeit entsprechen würde, sich für überdurchschnittliche Leistungen nochmals zu bedanken. Ferner seien nach einer Untersuchung der Universität Erlangen (Düwell/Dahl, NZA 2011, 958, 961) aus dem Jahr 2011 im Bereich der kaufmännischen Tätigkeiten in ca. 79 {d92eee4b14c11402014fd9805a0ead1ce0d0e174a8b1de438a4d554a4363ea2e} der Zeugnisse eine sogenannte Dankes- und Wunschabschlussformel vorhanden und in 97 {d92eee4b14c11402014fd9805a0ead1ce0d0e174a8b1de438a4d554a4363ea2e} der Zeugnisse zumindest eine Wunschabschlussformel.

Das Landesarbeitsgericht hat insoweit jedoch die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen und das Verfahren ist derzeit dort noch anhängig.

Tipp: im Rahmen von gerichtlichen Vergleichsflüssen sollte darauf geachtet werden, dass bei der Regelung eines Zeugnisses bereits die Aufnahme einer Dankes- und Wunschabschlussformel aufgenommen wird, um zukünftige Streitigkeiten hierüber auszuschließen. Selbst im Falle eines Formulierungsrechtes des Arbeitnehmers für das Zeugnis könnte sich ohne eine entsprechende Regelung der Streit darüber ergeben, da diese Regelungen häufig die Einschränkung erhalten, dass von dem übermittelten Vorschlagsrecht abgewichen werden darf, wenn Gründe der Wahrheit dem entgegenstehen. Ein Arbeitgeber könnte daher immer entgegenhalten, dass er dem Arbeitnehmer nichts Gutes für die Zukunft wünscht und ihm ebenfalls nicht dankt. In diesem Fall würde das Zeugnis gegen die Wahrheitspflicht verstoßen. Um das zu vermeiden, sollte vor allem bei durchschnittlichen Zeugnissen eine entsprechende Regelung in einen Vergleich aufgenommen werden. Sollte auch eine Bedauernsformel erwünscht sein (zum Beispiel “bedauern wir Herrn/Frau … als Mitarbeiter zu verlieren“), muss auch dieser Teil der Abschlussformulierung in einen entsprechenden Vergleich aufgenommen werden.