Viele Arbeitnehmer, die längere Zeit krank sind, fürchten sich wieder an ihre Arbeitsstelle zurückzukehren. Häufig wissen sie nicht, ob sie einerseits wieder gesund genug sind, arbeiten vor Ort erledigen zu können, und andererseits wissen sie nicht, wie ihr Arbeitgeber auf die Rückkehr reagiert.
Der Gesetzgeber hat verschiedene Hilfsmittel gesetzlich ausgeformt, die dem Arbeitnehmer bei einer Rückkehr in das Arbeitsumfeld helfen sollen. Die beiden wichtigsten Mittel in der Praxis sind die stufenweise Wiedereingliederung und das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement.
Ziel der stufenweisen Wiedereingliederung ist nach dem sogenanntem Hamburger Modell, Beschäftigte unter ärztlicher Anleitung schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung zu gewöhnen. In der Regel schlägt ein betreuende Arzt Arbeitnehmern die Durchführung eines solchen Verfahrens vor. Grundsätzlich wird der Mitarbeiter daher auch wieder auf seiner alten Arbeitsstelle eingesetzt, sodass letztlich nur zeitweise die Arbeitsbelastung im Hinblick auf den früheren Arbeitsplatz reduziert ist. Sollte der Arbeitsplatz als solcher zu der Erkrankung geführt haben, würden genau diese Belastungen erneut eintreten. In diesem Verfahren steht Arbeitnehmern ein Arzt zur Seite, da dieser meistens das Attest ausstellt, welches benötigt wird um über die Krankenkassen Finanzierung des Verfahrens zu erhalten. Denn während der Durchführung dieses Verfahrens krankgeschrieben und werden nicht vom Arbeitgeber, sondern von der Krankenkasse vergütet.
Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement, § 167 SGB IX). In diesem Verfahren musste der Arbeitgeber mit diversen anderen Personen, die bislang immer aus dem Betrieb stammten sowie einem externen Arzt, die Möglichkeiten abklären. In der Praxis kann es hierbei immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, da Arbeitgeber häufig Ziehung eines Rechtsanwaltes oder einer sonstigen Person ablehnten. Sie beriefen sich hierbei auf die gesetzliche Regelung, die wie folgt lautet:
„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. 3Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen.“
Auch die Rechtsprechung vertrat insoweit überwiegend die Ansicht, dass ein externer Rechtsanwalt grundsätzlich nicht an dem BEM-Verfahren ohne Zustimmung des Arbeitgebers teilnehmen durfte (so zum Beispiel LAG Köln, Urteil vom 23.01.2020, Az. 7 Sa 471/19, LAG Hamm, Urteil vom 13.11.2014, Az. 15 Sa 979/14; LAG Rheinlandpfalz, Urteil vom 18.12.2014, Az. 5 Sa 518/14). Nur in Fällen, in denen der Arbeitgeber einen externen Juristen oder Rechtsanwalt selbst hinzuziehen wollte, wurde auch dem Arbeitnehmer ein Recht eingeräumt, einen eigenen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Lehnte der Arbeitnehmer jedoch zuvor bereits ab, dass der Arbeitgeber einen Juristen hinzuzog, wurde auch für den Arbeitnehmer Recht auf „Waffengleichheit“, also eine Hinzuziehung eines externen Juristen abgelehnt.
Dese Rechtslage hat der Gesetzgeber vor kurzem mit Wirkung vom 10.06.2021 geändert, und zwar durch Art.7 Nr. 21a des Teilhabestärkungsgesetzes vom 02.06.021. Gemäß § 167 Abs.2 S. 2 SGB IX können Arbeitnehmer nun zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen zum BEM-Verfahren hinzuziehen. In Zukunft müssen Arbeitnehmer daher nicht mehr alleine ein solches Verfahren durchstehen, sondern können sich hierbei externe Unterstützung holen.
Tipp: Arbeitnehmer sollten in Zukunft nicht mehr alleine solche Gespräche durchführen und sich lediglich einer vorherigen Beratung durch einen Juristen bedienen. Denn im Verlaufe eines solchen Verfahrens können Umstände eintreten, die zu einer Kündigung führen können, und ebenfalls sind häufig viele Möglichkeiten innerhalb eines solchen Verfahrens vielen Arbeitnehmern nicht bekannt. Daher sollte eine Unterstützung in geeigneten Fällen durchgehend durch eine externe Kraft erfolgen. Hierbei muss es sich nicht zwangsweise um einen Rechtsanwalt handeln, sondern beispielsweise kann auch ein Gewerkschaftssekretär hinzugezogen werden. Arbeitnehmer sollten auf die Person sich am besten einem solchen Verfahren auskennt.