Die AGB-Prüfung im Arbeitsrecht: Ein systematischer Leitfaden für die rechtssichere Vertragsgestaltung

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht werde ich häufig mit der Frage konfrontiert, wie Arbeitsverträge und deren Klauseln einer AGB-Kontrolle standhalten können. Die systematische Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht folgt dabei einem klaren Schema, das ich Ihnen heute näherbringen möchte.
Zunächst stellt sich die grundlegende Frage, ob überhaupt eine AGB-Kontrolle durchzuführen ist. Dies ist der Fall, wenn es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, die für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden sollen. In der arbeitsrechtlichen Praxis ist dies bei den meisten Arbeitsverträgen der Fall, da Arbeitgeber typischerweise Vertragsmuster verwenden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die entsprechende Klausel im Einzelfall ausgehandelt wurde. Dabei sind die Anforderungen an ein „Aushandeln“ nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sehr hoch: Der Arbeitgeber muss den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel ernsthaft zur Disposition stellen und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen.
Nach der Feststellung der grundsätzlichen Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle folgt als erster Prüfungsschritt die Einbeziehungskontrolle nach § 305 BGB. Hier ist zu prüfen, ob die Klauseln überhaupt wirksamer Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden sind. Dies erfordert einen ausdrücklichen Hinweis auf die AGB bei Vertragsschluss, die Möglichkeit der Kenntnisnahme für den Arbeitnehmer und dessen Einverständnis mit der Geltung. In der arbeitsrechtlichen Praxis erfolgt dies meist unproblematisch durch die direkte Integration der Klauseln in den Arbeitsvertragstext. Schwieriger wird es bei der Einbeziehung externer Regelwerke wie Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge durch Verweisung.
Der zweite Prüfungsschritt betrifft die Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Klauseln müssen klar, verständlich und eindeutig formuliert sein. Der Arbeitnehmer muss seine Rechte und Pflichten aus der Klausel erkennen und die wirtschaftlichen Nachteile abschätzen können. Besonders kritisch sind hier verschachtelte Formulierungen, mehrfache Verweisungen oder die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Die Rechtsprechung legt hier einen strengen Maßstab an, da der Arbeitnehmer als strukturell unterlegene Vertragspartei besonderen Schutz benötigt.
Der dritte und meist entscheidende Prüfungsschritt ist die Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB. Dabei ist zu beachten, dass die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB im Arbeitsrecht nicht direkt gelten, sondern nur als Orientierungshilfe im Rahmen der Generalklausel des § 307 BGB herangezogen werden. Eine Klausel ist unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.Bei der Inhaltskontrolle ist besonders zu prüfen, ob die Klausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Dabei sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen, insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen unternehmerischer Freiheit und Arbeitnehmerschutz.Besonders häufig sind Klauseln zu prüfen, die Vergütungsbestandteile betreffen. Hier geht es etwa um Widerrufsvorbehalte bei freiwilligen Leistungen, Stichtagsregelungen oder Provisionsvereinbarungen. Die Rechtsprechung verlangt hier klare Regelungen zu den Voraussetzungen und dem Umfang möglicher Änderungen. Auch Klauseln zur Arbeitszeit, insbesondere zur Anordnung von Überstunden oder zu Ausgleichszeiträumen, werden einer strengen Kontrolle unterzogen.Versetzungsklauseln müssen ebenfalls sorgfältig formuliert sein. Sie müssen das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer flexiblen Personaleinsatzplanung mit dem Interesse des Arbeitnehmers an einer verlässlichen Arbeitsortbestimmung in Einklang bringen. Ähnliches gilt für Klauseln zur Änderung des Tätigkeitsbereichs oder zur konzernweiten Versetzung.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote unterliegen besonderen Anforderungen. Hier muss insbesondere die Karenzentschädigung angemessen sein, und der räumliche sowie sachliche Geltungsbereich muss klar definiert und verhältnismäßig sein. Auch Vertragsstrafenregelungen bedürfen einer sorgfältigen Prüfung.
Ist eine Klausel nach dieser Prüfung unwirksam, entfällt sie ersatzlos. Eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion auf den noch zulässigen Inhalt ist nach ständiger Rechtsprechung nicht möglich. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung. Dies kann für den Arbeitgeber weitreichende Folgen haben, weshalb eine sorgfältige vorherige Prüfung unerlässlich ist.
Die Rechtsprechung entwickelt die Anforderungen an die AGB-Kontrolle stetig weiter. Besonders deutlich wird dies bei Ausschlussfristen, wo etwa Mindestlohnansprüche von der Verfallwirkung ausgenommen werden müssen, oder bei Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten, wo die Bindungsfristen und Staffelungsregelungen einer strengen Kontrolle unterliegen.
Für die praktische Vertragsgestaltung empfiehlt sich daher ein systematisches Vorgehen: Zunächst sollte geprüft werden, ob die Klausel überhaupt der AGB-Kontrolle unterliegt. Dann folgt die Prüfung der Einbeziehung und der Transparenz. Schließlich ist die inhaltliche Angemessenheit zu prüfen, wobei die aktuelle Rechtsprechung zu berücksichtigen ist.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Dokumentation von Verhandlungsprozessen, wenn einzelne Klauseln individuell ausgehandelt wurden. Hier empfiehlt sich eine sorgfältige Protokollierung der Verhandlungen und der verschiedenen Vertragsentwürfe.
Die regelmäßige Überprüfung bestehender Vertragsmuster ist unerlässlich, da sich die Rechtsprechung kontinuierlich weiterentwickelt. Was gestern noch als wirksam galt, kann heute bereits unwirksam sein. Dabei sollten auch die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, da pauschale Standardklauseln oft nicht den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses gerecht werden. Die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe, die sowohl rechtliches Fachwissen als auch praktische Erfahrung erfordert. Eine sorgfältige Prüfung nach dem hier dargestellten Schema hilft dabei, Fallstricke zu vermeiden und rechtssichere Vertragsgestaltungen zu gewährleisten. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne bei der Prüfung und Gestaltung Ihrer Arbeitsverträge.