Keine Mitbestimmung bei Vergütungsanpassung freigestellter Betriebsratsmitglieder – Wichtige BAG-Entscheidung für die Praxis
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Beschluss vom 26. November 2024 (Az. 1 ABR 12/23) eine wichtige Klarstellung zur Frage der Betriebsratsbeteiligung bei Vergütungsanpassungen von freigestellten Betriebsratsmitgliedern getroffen.
Der Fall
Die Arbeitgeberin, die zwei Autohäuser betreibt, hatte den freigestellten Betriebsratsvorsitzenden nach erfolgreichem Durchlaufen eines Assessment Centers „Führungskräftepotenzial“ in eine höhere Entgeltgruppe des geltenden Tarifvertrags eingruppiert. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, ihm stehe bei dieser Entscheidung ein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu und leitete ein entsprechendes Beschlussverfahren ein.
Die Entscheidung
Das BAG hat – anders als die Vorinstanzen – ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneint. Die Richter stellten klar, dass die Vergütungsanpassung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nicht unter die mitbestimmungspflichtigen Ein- und Umgruppierungen fällt. Das lässt sich wie folgt begründen: Eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne des § 99 BetrVG setzt voraus, dass eine konkrete Arbeitnehmertätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet wird. Bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern fehlt es jedoch an einer solchen zu bewertenden Tätigkeit, da sie von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung vollständig entbunden sind.Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder richtet sich stattdessen nach speziellen gesetzlichen Regelungen:
- § 37 Abs. 1 BetrVG regelt das Ehrenamtsprinzip
- § 37 Abs. 4 BetrVG bestimmt die Vergütungsentwicklung nach der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer
- § 78 Satz 2 BetrVG enthält das Benachteiligungsverbot
Die Vergütungsanpassung erfolgt daher nicht durch Bewertung einer ausgeübten Tätigkeit, sondern durch einen Vergleich mit der Entwicklung anderer Arbeitnehmer oder zur Vermeidung einer Benachteiligung, wenn das Betriebsratsmitglied nur wegen der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte.Das BAG stellt damit klar: Die Ermittlung des Vergleichsentgelts beruht auf einer Durchschnittsberechnung der von anderen Arbeitnehmern bezogenen Vergütung und nicht auf einer tätigkeitsbezogenen Eingruppierung. Eine Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG scheidet daher aus.
Die Begründung
Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder richtet sich ausschließlich nach den speziellen gesetzlichen Regelungen in § 37 Abs. 4 und § 78 S. 2 BetrVG. Danach besteht entweder:
- ein Anspruch auf Vergütung entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer, oder
- ein Anspruch auf höhere Vergütung zur Vermeidung einer Benachteiligung, wenn das Betriebsratsmitglied nur wegen der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte.
Praktische Bedeutung
Die Entscheidung hat eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung: Sie verhindert den Versuch, Vergütungsansprüche von Betriebsratsmitgliedern über den Weg des Beschlussverfahrens geltend zu machen, bei dem die Kosten vollständig von der Arbeitgeberseite zu tragen sind. Stattdessen müssen solche Ansprüche im normalen Urteilsverfahren verfolgt werden, bei dem in der ersten Instanz jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.
Für die Praxis bedeutet dies: Arbeitgeber müssen bei Vergütungsanpassungen freigestellter Betriebsratsmitglieder kein Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG durchführen. Sie müssen jedoch weiterhin das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot beachten.
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